© Frank Linke

Olivier Messiaen - Quatuor pour la fin du temps

Olivier Messiaen - Quatuor pour la fin du temps (1940/41) für Klarinette, Violine, Cello, Klavier

Hibiki Oshima - Violine / Carola Schaal - Klarinette / Sonja Lena Schmid - Cello / Anne-Monika von Twardowski - Klavier
&
Katrin Bethge - Overheadprojektionen

über das Projekt ‚Messiaen / Bethge‘:

musikalische Grundelemente Olivier Messiaens: Farbe, Klang und Raum

„Es gibt nur eine Realität: Die Resonanz. Die harmonische Resonanz und die Korrespondenz zwischen der Farbe und der harmonischen Resonanz, das sind reale Phänomene! Alles andere – das sind Worte, fast schon Trugbilder der Theoretiker!“, sagte Olivier Messiaen 1982 in einem persönlich gehaltenen Gespräch mit Rudolf Frisius.

Mit der Bedeutung, die Messiaen der Klangfarbe einräumte, sah er sich in der Tradition von Komponisten wie Debussy, Chopin, Berlioz, Mussorgsky und Wagner stehen. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er sehr präzise Vorstellungen über Farben hatte:
„Wenn die komplexen Klänge eine Farbe haben, dann haben auch die komplexen Rhythmen eine Farbe. Es gibt eine Farbe für die Rhythmen, eine für die Klangfarben, eine für die Tonstärken, ja sogar für die Dauern. All diese Farben beeinflussen sich gegenseitig und bewegen sich im Fluss der Musik. Denn die Musik ist etwas, das sich bewegt. Es gibt hohe und tiefe, schwache und starke, kurze und lange Klänge – und das bewegt sich, ändert sich. Mit den Farben ist es genau so.“

Genau an diesem Punkt setzt das Projekt einer konzertanten Aufführung mit inszenierter Projektkunst und wandelbaren, verformbaren Bühnenelementen an. Die auditive Klangwelt soll durch den visuellen Raum erweitert werden, um in Messiaens Sinne eine weitere Dimension zu schaffen. Das Ziel ist, dem Hörer und Betrachter eine weitere Ebene von Messiaens Musik zu öffnen. Für den Komponisten sind Farben und Formen ein primärer Gegenstand der Wahrnehmung - kein Hilfsmittel oder Zusatz, der sich von den Tönen ablösen ließe.
Messiaen bezeichnete sich selbst als Synästhetiker, weswegen Musik und Farbe zwangsläufig miteinander verwoben sind. „Wenn ich Musik höre, sehe ich innerlich Farbkomplexe, die den Tonkomplexen entsprechen.“

Farben suchen ihn auch in seinen Träumen heim, und er überträgt diese konkret auf die Musik des ‚Quartett auf das Ende der Zeit‘: „Ich sah den Regenbogen des Engels und ein seltsames Kreisen von Farben. (...) Von diesem Regenbogen des Engels war ich ganz hingerissen, denn er motivierte meine Akkordkaskaden.“ So steht zum 2. Satz des Werkes folgende Anmerkung: „In der Mitte hören wir die unfassbaren Harmonien des Himmels: Im Klavier zarte Kaskaden aus Akkorden in Blau-Orange (...).“

Farbe und Resonanz waren zudem für Messiaen ein „Symbol der Gottheit“. Zur Bekräftigung dieser Auffassungen berief er sich gern auf die Bibel. In seinem Werk ‚Couleurs de la Cité celeste‘ nimmt er beispielsweise Bezug auf die überquellende Bilderwelt der Offenbarung des Johannes:„Wenn die Gottheit sich offenbart, dann sagt der Heilige Johannes nicht: ‚Ich sehe Gott’, sondern: ‚Ich sehe einen Regenbogen um den Thron, und dieser Regenbogen ist grün wie ein Smaragd, und der auf dem Thron sitzt, gleicht dem Rot von Jaspis und Sarder.’“ In dem Werk, sagte Messiaen, gebe es warme und kalte Farben, Komplementärfarben, verblichene Farben, die zum Weiß tendieren, abgedunkelte Farben in Richtung Schwarz. Und: Man könne diese Farbtransformationen mit Personen vergleichen, die auf verschiedenen, übereinander gelagerten Ebenen agieren und gleichzeitig verschiedene Geschichten erzählen würden.

Zu den musikalischen Grundelementen Farbe und Klang, die sich in der Zeit entfalten, tritt bei Messiaen als weitere Dimension der Raum, insbesondere der Sakralraum. Die Fenster der Sainte-Chapelle in Paris waren für ihn wie eine Farbsymphonie, die den Eintretenden von allen Seiten umgab und einhüllte. Zum Gefühl einer Musik der Farben trat damit ein erhebendes Raumgefühl.

Der 1908 im südfranzösischen Avignon geborene und 1992 in Paris gestorbene Messiaen verstand es, seine visionären Ideen mit genauester Beobachtung der Klang-, Farb- und Raummaterie zu verbinden.